RIP HARDY KRÜGER.

Januar 22, 2022    

Wenn man als Künstler viel unterwegs ist, trifft man ständig andere Künstler. In Talkshows, Zügen, Flughäfen, auf Buchmessen oder Festivals, irgendwann läuft dir fast jeder mal über den Weg, auch die alternden Weltstars, deren Name noch groß ist, aber deren Licht schon ein bisschen verblasst. Wenn man dann selber kein Fan ist und deren Karriere nicht genau verfolgt hat, dann fehlt meist das nötige Wissen für ein angemessenes Gespräch, und damit auch der nötige Respekt für die Lebensleistung. Und dann verbockt man es schnell. So wie ich.
 
In der Woche, als ich HD traf, hatte ich auf der Buchmesse Interviews mit Leuten geführt, die zu der Zeit angesagt waren, Willemsen, Karasek, Becker, Schwarzer usw. Tagsüber wurde interviewt, abends saß man dann noch mit Stars und Sternchen zusammen.
 
Als Moderator, war es damals meine größte Stärke und Schwäche, dass ich sehr schnell persönlich wurde. Einige Promis mochten das und aus Interviews wurden stundenlange Gespräche. Andere waren von meiner Art unangenehm berührt und machten es kurz. Ich polarisierte, was in einer Branche voller moderater Moderatoren, nicht immer dienlich war. Meine Kritiker warfen mir vor, die Positionen „Moderation“ und „Gesprächsteilnehmer“ zu verwechseln, und sie hatten recht. Mich interessierte ein gutes Gespräch immer mehr, als eine gutgeführte Moderation. So gesehen war ich ein lausiger Moderator.
 
Eines Abends wurde ich bei einem Dinner, am Tisch neben Hardy Krüger platziert. Ich hatte mich nie eingehend mit ihm befasst, kannte seine Lebensgeschichte nicht, und im ersten Moment war er „nur“ ein weiterer Schauspieler, wenn auch ein internationaler Star. Ich dachte, sag mal was Nettes, aber bloß nicht zu persönlich. Leider fiel mir folgendes ein …
 
In meiner Jugend hatte ich mehrmals „The Wild Geese“ gesehen, ein harter Söldner-Action-Film mit „Moral“. In dem Film, spielte Hardy Krüger einen rassistischen Söldner, der sich ändert, um anschließend sein Leben für die Schwarzen zu geben. Am Ende des Films, wurde dann ordentlich Rache geübt. Und ganz zum Schluss, musste Richard Bourbon sich dann um das Waisenkind kümmern, welches nur seinetwegen Waise war, weil er selber den Vater im Einsatz erschossen hatte.
All das holte mich als Teenager verdammt gut ab.
 
Heute würde dieser Film ein Chor der Empörung hervorrufen, und wie ich später erfuhr, tat er das schon damals, doch das wusste ich da noch nicht, ich fand den cool. Auf diesen Film hatte sich sogar einer meiner Kumpels berufen, als er den Wehrdienst verweigerte, und genau diese Anekdote, hielt ich für ein kleines unaufgeregtes smalltalkiges Lob.
 
Kaum hörte HD den Titel des Films, schon empörte er sich: Die Regie hatte damals im Schnitt den Schwerpunkt des Films verändert. Obwohl HD sich öffentlich von dem Endschnitt distanziert hatte, hatten Kritiker ihm, wegen dieser Rolle, Rassismus unterstellt.
 
Wie ich später erfuhr, war der Film damals ein Riesenerfolg, aber er war tatsächlich auch hart kritisiert worden, wegen Dreh in SA zu Zeiten von der Apartheid. In London hatte es sogar Demonstrationen gegen den Film gegeben und noch 30 Jahre später, schien HD persönlich davon angefasst zu sein. Ich merkte, ich hatte einen wunden Punkt erwischt und versuchte das Thema zu wechseln, doch er wurde nicht ruhiger. Immer mehr Leute schauten zu uns rüber und plötzlich stand er mitten im Abendessen auf, schnappte seine Frau, und ging. Ich schaute ihnen perplex nach. Dann folgte ich.
 
In der Garderobe, half ich ihnen in die Mäntel, während ich um Entschuldigung bat, weil ich seine Gefühle verletzt hatte. Ob er mir vielleicht erklären könnte, was genau ich falsches gesagt hatte. Er knurrte, ihm reicht’s mit dem Ding. Weg waren sie.
 
Ich stand bedröppelt da, wusste eigentlich gar nicht so richtig, was da gerade über mich hinweggefegt war, es tat mir nur leid, dass ich ihnen den Abend versaut hatte. Schließlich ging ich zu meinem Essen zurück und dort erwarteten mich jede Menge Nachfragen.
 
Dass ich als polarisierender Moderator galt, habe ich ja schon gesagt. Zusätzlich sollte ich vielleicht erwähnen, dass mir wegen einer peinlichen Geschichte im Vorjahr, ein nervenden Koks-Ruf anhaftete. Dabei nahm ich nie Drogen.
 
Ich erspare euch die Einzelheiten, aber stellt euch nur kurz einen festlichen Saal vor, vollbelegt mit A, B, und C-Promis, und mitten in einer Ansprache des Gastgebers, platze ich zu spät in den Saal herein – und als alle mich anschauen, beginne ich vor versammelter Mannschaft aus der Nase zu bluten.
Bluten. Aus der Nase. Auf einer Medien-Veranstaltung.
 
Die Luft auf einer Messe, ist nun mal echt trocken. Aber aus der Nummer kam ich nicht mehr raus. Klöppel, Kleber, die ganze Nachrichtenfaktion war da, und die Geschichte verbreitete sich, als hätten sie sie gesendet. Die ganze Buchmesse lang, wurde ich wegen Drogen angequatscht. Stars, Sternchen, Fremde, permanent fragte mich jemand, ob ich was hab.
 
Ein Jahr später, war der Aufreger dann nicht mehr Koks, sondern Hardy Krüger. Was hatte ich denn wieder angestellt? Was hatte ich Blödes zu ihm gesagt, damit er so wütend wurde? Musste ich denn jedes Jahr Scheiße bauen, um im Mittelpunkt zu stehen? Usw.
 
Das Wort Shitstorm gab es damals noch nicht. Das Gefühl schon. Und das Gefühl blieb. Bis heute, zuckt es kurz, wenn ich seinen Namen lese oder höre. Das ist einer der Gründe, warum man nie zulange mit dem Aussöhnen warten sollte. Irgendwann schrieb ich ihm deswegen ein Brief. Es kam nie eine Antwort.
 
Nach der Messe damals, verkroch ich mich erstmal zuhause und begann mich über HD zu informieren. Ich wurde ein großer Fan seiner Persönlichkeitsentwicklung. Ein Deutscher, als Nazi erzogen, der zum Nazigegner wurde.
HD stellte sich damit nicht nur gegen seine eigenen Eltern, er agierte in der Nachkriegszeit auch gegen Nazis, als die Bundesregierung damals noch voll mit ihnen war. Das hat ihm sicher viel gekostet. Auch Geld, aber davon hatte er genug. Aber was ist mit den vielen Kränkungen, Verleumdungen und Beleidigungen? Vielleicht wurde er ja auch deswegen so dünnhäutig.
 
Bis zu seinem Tod engagierte er sich gegen rechts. In den USA, ging er mit seiner Frau auf Anti-Trump-Demos, und alles, was ich sonst über ihn gehört habe, klingt toll. Ich habe auch mittlerweile ein paar Filme von ihm gesehen, und mag ihn als Schauspieler.
 
Und jetzt sitze ich hier, mit meinem kleinen doofen Gefühl. Ich wünschte, ich wäre damals in der Lage gewesen, mich bei ihm für seine klare Kante gegen Rechts zu bedanken. Ich hätte ihm auch gerne gesagt, dass ich mich wegen unserer Begegnung, letztlich noch mehr mit Faschismus und Nationalismus auseinandergesetzt habe. Doch die Gelegenheit für ein klärendes Wort, ist nun für immer passé. Man trifft sich eben nicht immer zweimal.
 
Wir haben einen großen verloren.

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