A STAR IS BORN

März 20, 2020    

Leider im Kino verpasst, mittlerweile 5 mal gestreamt. Liebe & Musik, damit kann man bei mir eh nie viel falsch machen, aber das Figurensetting ist hier einfach perfekt: großer Star am Ende, junger Star am Anfang, da gehe ich sofort mit allen Hoffnungen und Ängsten der Figuren mit. Zudem spielt Bradley Cooper einfach fantastisch und seine Sprechstimme – irre!
A Star Is Born ist ein Remake, das schon zum vierten Mal verfilmt wurde, also dachte ich mir, viel kann man bei der Story nicht falsch machen, und wollte mir aus Neugier eine frühere Variante anschauen, natürlich wurde es die mit Judy Garland von 1954.
Das verrückte ist, dass Judy Garland zu dem Zeitpunkt erst 32 war und dennoch galt ihre Karriere schon als „durch“. Seit 20 Jahren war sie ein Star, mit 16 hatte sie schon 13(!) Kinofilme gedreht, und mit 28 war sie mittlerweile so Drogenabhängig, dass MGM seinen größten Star aus dem Vertrag entließ, damals der absolute Karriere-Todesstoß, was auch im Film über die männliche Hauptfigur thematisiert wird.
Vier Jahre später kam Judy dann mit diesem Monster-Box-Office zurück – das totale Comeback. Stellt euch vor, ein ehemaliger Supersuperstar, sagen wir mal, Julia Roberts, macht einen neuen Film und 250(!) andere Stars sind bei der Kino-Premiere, die im TV-Hauptprogramm live übertragen wird. 1954 wurde kein Star geboren, sondern wiedergeboren.
Dass der Film überhaupt fertig wurde, lag zum Großteil am Regisseur, George Cukor, der aber auch irgendwann hinwarf. Im Laufe der Monate musste sich Cukor sich permanent mit einer instabilen Hauptdarstellerin arrangieren, die von Medikamenten und Krankheiten geplagt war. Doch der Clou kam erst später: Nachdem bereits umfangreich gedreht worden war, beschlossen die Studioleiter, dass der Film der erste Kinofilm von Warner Brothers sein sollte, der CinemaScope verwenden sollte, was zur Folge hatte, dass alles neu gedreht werden musste.
Noch im März 1954 fehlten mehrere Musiknummern und die letzte Szene wurde Ende Juli gedreht. Die erste Probevorführung im August lief 196 Minuten und trotz ekstatischer Rückmeldungen aus dem Publikum, kürzte man auf 182 Minuten. Die Kritiken blieben ausgezeichnet, aber Führungskräfte von Warner befürchteten, dass die Laufzeit die Anzahl der täglichen Vorstellungen einschränken würde, und so nahmen sie drastische Kürzungen vor – ohne Cukor! Der Film verlor zwei große Musiknummern und entscheidende dramatische Szenen. A Star Is Born kostete über 5 Millionen Dollar. Trotz seiner enormen Popularität gelang es Warner Brothers auch mit den Kürzungen nicht, einen Gewinn zu erzielen.
DIE DVD
Den Film mit Originallänge, kann man zum Glück nirgends streamen, nur deshalb zog ich mir die DVD. Darauf sind Clips von der Filmpremiere, die damals noch stilgerecht im Cocoanut Grove Ambasador Hotel stattfand. Wie gesagt, waren 250 weitere Stars vor Ort, Bogart, Bacall und Sinatra hielten Reden, tausende Fans belagerten das Kino und die umliegenden Straßen. Damals, als Kino noch bigger then life war. Man nannte diesen Abend „the biggest in hollywood-history.“
DER FILM
Der Film selber beginnt dann mit einer Überraschung, denn was ich schon vergessen hatte, kam damals tatsächlich noch der Abspann vor dem Film. Bevor man auch nur ein Bild zu sehen bekommt, werden alle Mitwirkende namentlich aufgeführt. Das dauert einen Moment, wertet das Folgende aber verblüffend auf. Good old days.
Darauf folgt ein Fließtext, der mir erklärt, dass Cukors Originalfilm verschollen war und nicht mehr ganz restauriert werden konnte. Die Tonspur ist erhalten geblieben, doch die verschollenen Szenen werden mit Fotos überbrückt. Das aber nur an 5-6 Stellen im ersten Akt.
Im Film folgt sofort der Grund, weshalb ich mir generell keine Fünfziger und Sechziger Jahre Filme mehr anschaue – absolut unerträgliche Frauen- und Männerbilder. Der Mann abwertend und herrisch, die Frau devot und hörig. Ständig will man einem Kerl (James Mason!) eine scheuern oder eine Frau wachschütteln. Und doch …
Nach und nach kriegt der Film mich wieder über das Figurensetting. James Mason schauspielert zwar, als hätte man ihm täglich unterschiedliche Drogen verabreicht, aber, obwohl der Film fast drei Stunden dauert, bleibe ich bis zum Ende dran – und das liegt an Judy Garland. Hat es je eine Sängerin gegeben, die in der Schönheit so viel Schmerz vermittelte, und in der Hoffnungslosigkeit soviel Hoffnung?
Die Schlussszene des Films ist emotionales Hollywoodkino pur. In der Neuverfilmung wird das emotionale Ende, der Selbstmord, leider von Lady Gagas Lied übertünscht. Das 1954-Ende räumt dagegen emotional voll ab, weil die Regie das Ende lieber über den Schmerz und die Hoffnung der Figur erzählt, statt über das Gesangstalent der Schauspielerin. Ego hinten angestellt, um die Geschichte wirken zu lassen. Echt schön. Tränchen.
Nach diesem Ende musste ich mir unbedingt ein paar alte Judy-Garland-TV-Shows auf YT anschauen und danach suchte ich die beste Garland-Biographie, landete bei der JUDY-Verfilmung mit Zellweger, musste danach wieder zu Judy auf YT zurück, um dann den Film nochmal durchlaufen zu lassen, und nach dieser Judy-Garland-Nacht schreibe ich nun diese Zeilen schwer beeindruckt.
Ich wusste es ja schon vorher, aber nun weiß ich es wieder ganz frisch: Judy Garland. Wow!
Neben ihr geht Lady Gaga unter, wie ein Kreisligakicker gegen Messi. Dafür spielt Bradley Cooper James Mason nicht nur komplett an die Wand, sondern lässt als Regisseur auch Lady Gaga in vielen Szenen glänzen, indem er sich selbst zurücknimmt. Dieser Typ wird mir immer sympathischer. Als Schauspieler wird er immer besser, hat seit einem Jahrzehnt bereits ein Händchen für exzellente Drehbuchauswahl, und wächst als Regisseur. Ich bin echt gespannt, was wir von ihm noch zu sehen bekommen.
Doch das Schlusswort dieser Zeitreise kann nur Judy Garland gehören. Hatte ich schon wow gesagt? Wow!
Michel

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