Birbaek Romane – deutsche Pop-Literatur?

September 13, 2004    

Universität zu Köln
Erziehungswissenschaftliche Fakultät |Seminar für deutsche Sprache und ihre Didaktik
Hausarbeit | SoSe 2003
Seminar: Literatur des 20. Jahrhunderts – die letzten 20 Jahre
Thema: Handelt es sich bei Michel Birbaeks Roman “Was mich fertig macht, ist nicht das Leben, sondern die Tage dazwischen” um deutsche Pop-Literatur?
Dozent: Dr. Klaus-Ulrich Pech
Vorgelegt von: Christine Gessen
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Biographische und bibliographische Anmerkung
3. Inhaltsangabe des Romans
4. Charakterisierung der Figuren/Figurenkonstellation
5. Äußerer Aufbau des Romans
5.2. Überschriften der Kapitel im Bezug zur inhaltlichen Geschlossenheit
6. Sprachliche Analyse
7. Handelt es sich bei “Was mich fertig macht, ist nicht das Leben, sondern die Tage dazwischen” um deutsche Pop-Literatur?
7.1. Was versteht man unter Pop-Literatur?
7.2. Merkmale des Romans, die Pop-Literatur repräsentieren
8. Aussagen aus der Sekundärliteratur
9. Schlusswort
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
In der vorliegenden schriftlichen Arbeit befasse ich mich mit dem Roman “Was mich fertig macht, ist nicht das Leben, sondern die Tage dazwischen” des Kölner Schriftstellers Michel Birbaek.
Zu Beginn meiner Arbeit werde ich einige biographische sowie bibliographische Angaben zum Autor nennen und ein Zitat Birbaeks zum Thema Schreiben beifügen und erläutern.
In einem zweiten Schritt werde ich den Inhalt des Romans kurz vorstellen. Damit man sich jedoch ein besseres Bild über den Inhalt des Buches machen kann, werde ich zwei weitere Inhaltsangaben des Romans nennen.
Anschließend werde ich die Protagonisten des Buches kurz charakterisieren und versuchen, eine Figurenkonstellation zwischen ihnen darzustellen.
Des weiteren werde ich auf den äußeren Aufbau sowie auf sprachliche und stilistische Beson-derheiten des Romans eingehen und im Bezug auf diese beiden Aspekte eine genauere Deu-tung vornehmen.
Als nächstes möchte ich der Hauptfrage dieser schriftlichen Arbeit nachgehen und versuchen zu klären, ob es sich bei diesem Werk um deutsche Pop-Literatur handelt. Um dies durchfüh-ren zu können, möchte ich zu Beginn genauer auf den Begriff Pop-Literatur eingehen, um im Anschluss chronologisch die fünf Thesen nach Moritz Baßler mit Birbaeks Werk zu verglei-chen. Bei dem Vergleich werde ich zeigen, dass der Roman “Was mich fertig macht, ist nicht das Leben, sondern die Tage dazwischen” Merkmale aufweist, die für die Archivierung, eine realistische Erzählweise, die Nennung von Markennamen und teilweise für die Erinnerung und den Diskurs stehen.
Um die Präsenz des Schriftstellers Michel Birbaek in anderen Medien zu verdeutlichen, wer-de ich in einem letzten Schritt verschiedene Aussagen aus der Sekundärliteratur über den Schriftsteller selber und über seinen Roman nennen.
2. Biographische und bibliographische Anmerkungen
Michel Birbaek wird am 21 Juli 1962 in Kopenhagen geboren. Gemeinsam mit seiner Familie zieht er im Alter von zwölf Jahren nach Wolfsburg. Zu diesem Zeitpunkt spricht er kaum ein Wort Deutsch, was ihm seine schulischen Laufbahn in Deutschland erschwert.
Nach Beendigung der Schule (an den genauen Zeitpunkt kann er sich leider nicht mehr erin-nern) schlittert er von einem Teilzeitjob in den anderen. Zu der großen vielseitigen Auswahl an Jobs, die er annimmt, gehören unter anderem: Tankwart, Friedhofsgräber, Torwart, Mitar-beiter bei dem Kölner Musiksender VIVA sowie Gag-Schreiber für Harald Schmidt und Ste-fan Raab.
1982 gründet Michel Birbaek seine erste Band namens “KOMA”, in der er Sänger ist.
Nachdem er 1989 von Wolfsburg nach Köln umzieht, löst sich die Band auf und er gründet eine neue, die er “BIRBAEK” tauft. Auch in dieser übernimmt er die Rolle des Sängers.
1996 löste sich auch diese Band auf, und Michel Birbaek, der zu diesem Zeitpunkt arbeitslos ist beginnt mit dem Schreiben seines ersten Romans “Was mich fertig macht, ist nicht das Leben, sondern die Tage dazwischen”. Zur Entstehung des Buches und warum er mit dem Schreiben begann schreibt er auf seiner eigenen Homepage Folgendes:
” Schreiben
Nach der Bandzeit erwischte mich ein böser Input- Turky. Nach ewigem Rumgetingele plötz-lich an einem Ort, keine Band als Familienersatz und null Bühne für die Mittelpunktssucht.
Dazu kam, dass ich auf Arbeitslosenhilfe war und zum ersten Mal im meinem Leben Schul-den hatte…okay, okay, und ich war über dreißig! Ich saß frustriert in der WG herum und frag-te mich, was kommt jetzt? Ich jedenfalls nicht, da ich noch Singel war und kein Fuß vor die Tür setzen mochte, denn dort lauerten überall Leute mit Fragen: “Echt?!! Keine Band mehr??? Brutal!! Und, was jetzt?”
Keine. Verdammte. Ahnung.
Mir fehlte die Bühne, das Reisen, die Abenteuer, neue Leute; also was blieb mir übrig? Ich mußte diesen Roman schreiben, denn so was kommt unheimlich gut an. Ich erwähnte auf ei-ner Party, ganz nebenbei, dass ich mit dem Gedanken spiele, einen Roman über die Bandzeit zu schreiben – schon hingen die Leute an meinen Lippen.
Hm, dachte ich. Wenn die Ankündigung schon solche Aufmerksamkeit mit sich bringt, was passiert dann erst, wenn ich tatsächlich einen schreibe?!”
Zu seiner eigener Überraschung verkauft sich die erste Auflage des Romans so gut, dass sie nach acht Wochen restlos ausverkauft ist.
Direkt nach diesem Erfolg setzt sich Birbaek wieder an die Arbeit und schreibt seinen zweiten Roman “Mittelfeldkrise”. Jedoch führen Unstimmigkeiten zwischen ihm und dem Verlag zu einer Trennung, welche wiederum dazu führt, dass er auf eine Veröffentlichung dieses Ro-mans verzichtet. “Ich trenne mich vom Verlag und das zweite Baby blieb in der Schublade. Und dort schlummert es heute noch friedlich.”
Mittlerweile schreibt Michel Birbaek Kolumnen für die Frauenzeitschrift Allegra, tourt mit seinem Comedyprogramm “Lachfalten” erfolgreich durch Deutschland und hat vor ein paar Wochen seinen dritten Roman fertiggeschrieben, der auch im nächsten Jahr veröffentlicht wird.
3. Inhaltsangabe des Romans
Tacheles ist gebürtiger Däne und Berufssänger einer bislang unbekannten Kölner Band, d.h. die gewünschten Erfolge mit ausverkauften Arenen bleiben leider aus und mit ihnen die fi-nanzielle Bereicherung. Nachdem er erfährt, dass seine Exfreundin Ernestine, die sich vor einem Jahr ohne ein Wort aus dem Staub gemacht hat und seitdem in der Welt umherreist, wieder in der Stadt ist, dauert es auch nicht mehr lange, bis er sich morgens im Bett neben ihr aufwachend wieder findet. Obwohl es anfangs den Anschein erweckt, als könnten die beiden einen Neuanfang wagen, wird Tacheles schnell klar, dass er nur als Mittel zum Zweck dient und in ihren Augen nichts weiter als ein One-night-stand ohne jegliche Investition von Gefüh-len und Verpflichtungen ist.
Ab dem Zeitpunkt an dem sich seine beste Freundin Britta aus dem Urlaub zurückmeldet, befindet sich Tacheles in der Zwickmühle: einerseits möchte er die Freundschaft zu ihr nicht aufs Spiel setzten und versucht deshalb krampfhaft zu vermeiden, dass ihre Beziehung auf eine sexuelle Ebene gelangt, andererseits gibt er sich die größte Mühe sich von Ernestine zu lösen und dies würde ihm am Besten gelingen, wenn Britta von all dem nichts erfahren würde. Beides gelingt ihm nicht.
Jedoch scheint es beruflich bergauf zu gehen, denn Tacheles kann den Booker des Kölner E-Werks dazu überreden, ihm und seiner Band einen Auftritt zu ermöglichen.
Inmitten dieses Chaos bekommt Tacheles eine Nachricht von seiner Schwester, die ihn vollkommen außer Gefecht setzt: Seine Mutter wurde von ihrem Lebensgefährten ermordet.
Um neue Kraft zu schöpfen und um sich selbst zu finden, besucht Tacheles seinen Vater in Vejeby in Dänemark. An diesem Ort, der direkt am Meer liegt, findet er viel Ruhe und Zeit für sich und fühlt sich nach einer Weile wieder bereit für sein Leben in Köln. Nach diesem Aufenthalt in Vejeby ändern sich tatsächlich gravierende Elemente in seinem Leben:
Er schafft es, sich nicht nur auf der körperlichen Ebene, sondern ganz und gar von Ernestine zu lösen und begreift endgültig, dass er bei ihr nie das finden würde, wonach er die ganze Zeit über sucht.
Ihm und seiner Band gelingt es, das Kölner E-Werk zu füllen und einen Auftritt zu inszenie-ren, von dem die Menge begeistert ist.
Zu guter Letzt nimmt er seinen ganzen Mut zusammen und wagt es, Britta zu fragen, ob sie sich eine gemeinsame Zukunft mit ihm vorstellen kann.
Die kurze Inhaltsangabe auf der Rückseite des Buches lautet:
“Tacheles hat ein Problem. Oder zwei. Das eine liebt er, aber sie ist seine beste Freundin. Das andere begehrt er, aber sie behandelt ihn wie einen One-night-stand. Tacheles weiß nicht, was er tun soll, aber eines ist klar: Es muß sich was ändern!
Ein weiteres Problem ist seine Band. Sie tourt und tourt und tourt. Und kann trotzdem ihre Deckel nicht bezahlen. Es muß sich was ändern! Und da wäre noch das Problem mit seiner nymphomanischen Mitbewohnerin. Und das mit den Drogen. Und den Hamstern. Und den Nazis.
Ein schneller, böser witziger Roman über das hektische Leben eines Musikers, der notgedrungen beschließt, das Gaspedal voll durchzutreten.”
Eine weitere Vorstellung des Romans findet man im Internet unter
http://www.hinternet.de/buch/b/birbaek.php dort wird er folgender Maßen rezensiert:
“Tacheles ist Sänger in der Band MOM ( Männer oder Mäuse, gibt’s wirklich!). Tacheles hat ein Problem. Und das macht ihn sympathisch. Die Toureinnahmen reichen gerade mal aus, um die Kosten für Sprit, Verpflegung, Unterkunft, Strafzettel und Bier zu decke. Damit nicht genug wird sein Leben um einige Stufen komplizierter, als seine Ex wieder in der Stadt auf-taucht. Diese ließ ihn vor einem Jahr sitzen. Nach einem gemeinsamen intensiven Sexnach-mittag ist es wieder um Tacheles geschehen. Alle guten Vorsätze sind vergessen. Das Prob-lem ist nur, dass er nicht genau weiß, ob sie ähnlich fühlt. Eigentlich war das schon immer die große Frage zwischen ihnen. Außerdem gibt es da noch Britta, seine beste Freundin, die ihn liebt.
Das Ganze wäre vielleicht noch zu ertragen, wenn Tacheles’ Mitbewohnerin mit ihrer dezen-ten Nymphomanie ihn nicht in den Wahnsinn treiben würde. Oder eine alte Feindin der Band-karriere ständig Steine in den Weg legte. Klingt nach Chaos, ist Chaos. Kurz, es muß sich was ändern. Aber dazu muß Tacheles erst mal herausfinden, warum ihn sein Vater früher im-mer mit zum Fischen nahm.
Der Roman ist wie ein gutes Rockstück geschrieben: schnell, hektisch, übertrieben, laut voller Lebensgefühl, aber auch mit leisen nachdenklichen Zwischentönen. Im weitesten Sinne ist es die moderne Version von der Suche nach dem Gral. Ideal zu lesen, wenn man unterwegs ist oder an verregneten Sonntagnachmittagen.”
Alle drei Inhaltangaben versprechen einen spritzigen, lebensfrohen Roman. Der zukünftige Leser des Buches bekommt bereits beim Durchlesen der Inhaltsangabe auf dem Cover einen kleinen, aber trotzdem wirkungsvollen Eindruck über das Chaos, das im Leben der Hauptfigur, des Musikers Tacheles, herrscht. Besonderes Interesse beim Leser wird meines Erachtens mittels der zusammenhangslosen Aussagen, die in den letzten beiden Inhaltsangaben zu finden sind geweckt. “Und da wäre noch das Problem mit seiner nymphomanischen Mitbewohnerin. Und das mit den Drogen. Und den Hamstern. Und den Nazis.”(siehe zweite Inhaltsangabe) , “Aber dazu muß Tacheles erst mal herausfinden, warum ihn sein Vater früher immer mit zum Fischen nahm.”(siehe dritte Inhaltsangabe). Mögliche Gedanken, die sich nach einer ersten Rezeption beim Leser einstellen können sind vermutlich: “Dass ist mir eindeutig ein zu wirres Durcheinander.”, oder : ” Ich möchte mehr darüber wissen!” . Ich persönlich hatte den zweiten Satz während des Durchlesens der Inhaltsangabe in meinem Kopf und war bereit mehr über den ausgefallen und chaotischen Lebensstil eines Kölner Musikers zu erfahren. Meiner Meinung nach ist dieser Roman des bislang leider noch nicht allzu berühmten Schriftstellers Michel Birbaek ein Roman, der trotz seines unverkennbaren Humors und seiner Lebendigkeit das sehr ernste Thema “Tod” auf eine sensible Weise behandelt. Denn lässt man die gesamte Rahmengeschichte der Kölner Musikszene einen Moment lang außer Acht, so kann man erkennen, dass der Roman im Grunde die beiden Themen “Beziehungsstress” und “Schicksalsschlag durch den plötzlichen Tod eines geliebten Menschen” behandelt. Schon eines der beiden Themengebiete wird den meisten Menschen nicht allzu fremd sein. Und genau deshalb strotzt dieser Roman so sehr vor Leben. Vielleicht würde man im wahren Leben nicht immer genau so handeln, wie Birbaek`s Romanheld Tacheles dennoch hat man den Eindruck als könne er einem jeden Moment über den Weg laufen.
4. Charakterisierung der Figuren/ Figurenkonstellation:
Der Protagonist des Buches, Tacheles, wird wie folgt beschrieben: Er ist Mitte zwanzig, Sänger der Band “Männer oder Mäuse”, kurz MOM, und lebt zusammen mit seiner WG- Mitbewohnerin Vivi in Köln. In der Band, die insgesamt aus vier Mitgliedern besteht, scheint er der Bodenständigste und Realistischste zu sein. Gute und sinnvolle Entscheidungen für das Da-sein der Band werden fast ausschließlich von ihm getroffen. Trotzdem sind die Finanzen der Band zu Beginn restlos ausgeschöpft.
Das Leben mit der Band wird in dem Roman als sehr anstrengend geschildert, da die vier Männer während ihrer Tour nie genau wissen, wo sie am nächsten Tag sein werden. Jedoch macht der Romanheld Tacheles auf den Leser den Eindruck, als ob er auf dieses abenteuerliche und spontane Leben nicht verzichten könnte.
Ein weiteres Problem, der Hauptfigur stellen die Frauen dar, da er sich anscheinend nicht genau entscheiden kann, was gut und was schlecht für ihn ist oder besser gesagt, welche Frau gut und welche schlecht für ihn ist.
Nichts desto trotz gewinnt Tacheles, dessen Lebensausschnitt geschildert wird, die gesamte Sympathie des Lesers.
Neben dem Romanhelden gibt es meiner Meinung nach auch die Besetzung einer Romanheldin, die es nicht immer leicht hat, aber die dennoch sehr gut zur Geltung kommt. Ihr Name ist Britta und sie wird dem Leser als Tacheles beste Freundin vorgestellt. Britta und Tacheles sind, so wie es scheint, schon seit ewigen Zeiten befreundet (Eine genaue Angabe lässt sich leider nicht entnehmen.) Von ihrer Seite aus ist deutlich mehr als nur Freundschaft für Tacheles zu erkennen, jedoch kommt sie anfangs nicht zum Zuge. Obwohl beschrieben wird, dass sich die beiden von Zeit zu Zeit auf einer sexuellen Ebene treffen, gibt Tacheles einer gemeinsamen Beziehung keine Chance und wertet die gemeinsamen Nächte am nächsten Morgen stets ab. Gleichwohl es dem Leser so erscheint, als sei Britta sich schon zu Beginn der Erzählung über ihre Gefühle zu Tacheles bewusst, wartet sie geduldig und übernimmt während dessen ihre Rolle der besten Freundin, Zuhörerin und Ratschlaggeberin.
Die Figur der Britta wird in dem Roman als eine sehr offene, selbstbewusste und oft auch witzige Frau, die in <> sehr viel Toleranz und Geduld aufweist, geschildert.
Wie in den meisten Romanen, so gibt es auch in diesem Gegenspieler zu einigen handelnden Figuren. Bei der Gegenspielerin der Romanfigur, Britta, handelt es sich um Tacheles ehemalige Freundin Ernestine. Ernestine ist Berufstänzerin und wird auf Grund dieser Tatsache auch nur einmal in dem Roman bei ihrem wirklichen Namen genannt. Tacheles, ihr verlassener Exfreund, der den Leser den gesamten Roman über als Ich-Erzähler begleitet, redet nur von ihr als “Tänzerin”.
Die Tänzerin wird von Birbaek als bildschöne, aber auch kalte Frau dargestellt. Für sie gehört es zu Tagesordnung bewundert zu werden und somit im Mittelpunkt zu stehen. Es scheint, als habe dieses Ziel für sie oberste Priorität. Auf den Leser macht diese Romanfigur den Eindruck, als benutze sie alles um sich herum für ihren eigenen Vorteil. Aus der Sicht dieser Figur scheint jedes Objekt und jeder Mensch auf einen gewissen Zweck reduziert. Sobald dieser Zweck nicht mehr benötigt wird, sind die Objekte bzw. die Menschen, die ihn erfüllen nutzlos und überflüssig.
Eine weitere Figur des Buches ist Max, einer der vier Bandmitglieder. Im Gegensatz zu den beiden anderen Musikern steht er der Hauptfigur Tacheles am nächsten. Der Anteil der wörtlichen Rede dieser Figur ist im Vergleich zu den drei Vorherigen sehr gering. Birbaek lässt die Figur Max so erscheinen, dass der Leser den Eindruck erhält, dass Max kein Mann vieler Worte ist. Wenn er doch einmal etwas sagt, so scheint dies für den Leser auch als reiflich überlegt. Des weiteren wird Max als zuverlässige und vertrauenswürdige Person dargestellt. Der Beweis dafür wird dem Rezipient durch das geschilderte Verhalten Tacheles nach dem Tod seiner Mutter gegeben. Er kann sich auf Max verlassen, da er auch der Einzige ist, dem er erzählt, wo er sich nach der Beerdigung aufhält.
Bei der letzten, von mir kommentierten Romanfigur, handelt es sich um Karin S., die Kulturredakteurin der Stadt Köln. Mit ihren Kritiken über die Band “Männer oder Mäuse” hat sie den vier Musiker den Karriereweg schon einige Male verbaut. Es scheint so, als hätte sie in der Stadt Köln großen Einfuß darauf, ob eine Band berühmt wird oder, ob sie unbekannt bleibt. Karin S. taucht immer zu den ungelegensten Zeitpunkten in Tacheles Nähe auf und versucht ihm zu schaden, wo sie nur kann. Die Figur Karin S. ist somit auch von Anfang an beim Leser negativ besetzt.
“Sie hat schon mehr Bands auf dem Gewissen als sämtliche Plattenfirmen dieser Stadt, dennoch gibt es drei gute Gründe, warum sie für den Job als Kulturredakteurin geradezu prädesti-niert ist:
1) Ihr Vater ist Hauptaktionär
2) Ihr Vater ist Hauptaktionär
3) Ihr Vater ist Hauptaktionär
Und drei, die dagegen sprechen:
1) Sie kann nicht schreiben.
2) Sie kann nicht schreiben.
3) Sie kann nicht schreiben.”
Aussagen wie diese kommen zur Genüge in dem Roman vor. Mit Karin S. schafft der Autor einen Gegenpol zum Romanhelden Tacheles. Im Gegensatz zu ihm wird sie als verwöhnte, reiche Hauptaktionärstochter beschrieben, die ihre beruflichen Erfolge nur auf Grund ihrer Verwandtschaften und nicht auf Grund ihres Könnens erreicht hat. Konträr zum Protagonisten Tacheles könnte man auch behaupten, dass Birbaek mit dem Einbau dieser Figur einen völlig entgegengesetzten Lebensstil vermitteln möchte. Man könnte auch sagen, dass in diesem Fall ein Lebenskünstler, der von der Hand in den Mund lebt, dem klassischen klischeehaften Yup-pie gegenübergesetzt wird.
Selbstverständlich gibt es noch eine Anzahl weiterer, zur Handlung beitragender Figuren, die ich nicht genannt habe. Dennoch wollte ich an Hand der erwähnten Figuren, einen ersten Eindruck verschaffen und einige prägnante Gegensätze und Eigenschaften, die die Konstellation der Personen deutlicher werden lassen, beschreiben.
5. Äußerer Aufbau des Romans
Der Roman “Was mich fertig macht, ist nicht das Leben, sondern die Tage dazwischen” wurde 1997 vom Rütten & Loening Verlag in Berlin veröffentlicht.
Er beinhaltet insgesamt 219 Seiten, die sich jedoch in 28 einzelne kurze Kapitel unterteilen. Jedes dieser Kapitel ist mit einer kurzen Überschrift versehen oder besser gesagt mit einem Schlagwort oder einem kurzen Satz, der die Bedeutung der folgenden Seiten kurz und knapp aus der Sicht des Autors auf den Punkt bringt.
0.Ende, 1. Und los, 2. Die Tänzerin, 3. Dealen, 4. Auf zum Tanz, 5. Leben, 6. Fragen…, 7. Auf der anderen Leitung, 8. Tod und Moral, 9. Die Wege des Herrn, 10. Ein Hurrikan zieht auf, 11. Blues, 12. Das Eis, 13. Nichts, 14. Zeit, 15. Zeit, 16. Danmark, 17. Warm-up für ein Comeback, 18. Die sechste Frage, 19. Der letzte Tanz, 20. Spieltag, 21. Vorspiel, 22. Anpfiff, 23. Endspiel, 24. Verlängerung, 25. Schicksal, 26. Exklusivrechte, 27. Und los!
Im Anschluss an die 28 Kapitel folgen “Break” und “Dank”. Mit “Break” meint Michel Birbaek:
” Ich wollte schon immer mal aufhören, wenn es am schönsten ist, daher habe ich die restlichen achttausend Seiten gecancelt. So werden die allerletzten Fragen nie beantwortet werden. Als da wären:
*Wird es dieses Buch länger geben als Holland?
*Gibt es ein Leben mit dem Tod?
*Kann man mit seiner besten Freundin zusammen sein, ohne seine beste Freundin zu verlie-ren?
*Wo sind die Häßler Millionen?
*Wie soll man Charts ernst nehmen, wenn Bands wie The Klau oder Yeti Girls nicht drin vorkommen?
*Was ist ein Tabuthema?
*Wann gibt es endlich Sex auf Krankenschein?
Wie geht’s?
rewthcintgarftbielbmmud.nema”
Auch hier stößt man wieder auf zusammenhangslose Aussagen beziehungsweise zusammenhangslose Fragen, die nun wirklich zum Teil in keiner Weise eine inhaltliche Verbindung zum vorhergegangenen Roman aufweisen. Dennoch spricht meines Erachtens auch dies für sich, da der Break den Leser ein weiteres Mal zum Schmunzeln bringt.
Des weiteren fällt bei der Betrachtung der äußeren Erscheinung des Buches die Darstellung der wörtlichen Rede ins Auge. Bei jeder Art der wörtlichen Rede, d.h. es gibt keine Unterschiede zwischen dem Protagonisten Tacheles, der den Leser die ganze Zeit über als Ich-Erzähler begleitet, und den anderen Figuren des Romans, verwendet Michel Birbaek Spiegelstriche zur Kennzeichnung.
Beispiel:
– Das wird er nicht, sagt Max still.
– Aha, so so, na, da bin ich ja mal gespannt.
– Weil du das machst.
– Ich?
– Du spielst doch mit dem Typen Fußball, wirft Schimanski ein.
– Gegen ihn, berichtige ich unseren Mann für Logik – Du kennst den Unterschied, oder?
– Wär trotzdem ein Versuch wert, beharrt er.
– G-G-Genau!
Ich schaue sie der Reihe nach an.”
5.2 Überschriften der Kapitel im Bezug zur inhaltlichen Geschlossenheit
Die schon erwähnten Überschriften oder auch Schlagwörter, die Michel Birbaek jedem einzelnen Kapitel des Romans hinzufügt, tragen nicht immer dazu bei, dass der Leser einen Einblick beziehungsweise eine Ahnung hinsichtlich des kommenden Inhalt erhält, sondern kön-nen teilweise erst zum Schluss richtig verstanden und gedeutet werden.
Jedoch lässt sich eine gewisse innere Geschlossenheit bezüglich des Romans und der einzelnen Kapitel feststellen. So heißt das erste bzw. nullte Kapitel “Ende” und beginnt mit den Sätzen: “Es ist aus. Aus und vorbei. Schicht, fini, Ende, over. Es wird eine Neue geben, na klar, es gibt immer eine Neue. Aber wen interessiert das jetzt?” ” – Die Tour ist zu Ende. Die weißen Mittellinien ziehen vorbei wie ein einziger Strich, und auf den letzten zweihundert Kilometern ist kein Wort gefallen.”
Im Gegensatz dazu beginnt das letzte Kapitel “Und los!” mit den Sätzen: “Es ist aus. Aus und vorbei. Wir sind wieder unterwegs. Die tourlose Zeit ist vorbei. Endlich! Die weißen Mittellinien ziehen vorbei wie ein einziger Strich, und durch das offene Fenster knallt der Fahrtwind rein. Die Beastie Boys brüllen uns an. No! Sleep! Till! Brooklyn!”
Die anfangs getrübte Stimmung des ersten Kapitels steht somit also im Gegensatz zur Vorfreude, die im letzten Kapitel geschildert wird. Diese Unterscheidung, die jedoch sprachliche Parallelen beziehungsweise sprachliche Wiederholungen aufweist, arrangiert Birbaek sehr geschickt. Betrachtet man beispielsweise den Satz:
“Die weißen Mittellinien ziehen vorbei wie ein einziger Strich, und auf den letzten zweihundert Kilometern ist kein Wort gefallen” Beim Leser assoziiert dieser Satz eine lange monotone Autofahrt, die kein Ende nehmen will. Konträr zu dieser Äußerung verwendet Birbaek den selben Hauptsatz auf der letzten Seite und verändert nur den Nebensatz. “Die weißen Mittellinien ziehen vorbei wie ein einziger Strich, und durch das offene Fenster knallt der Fahrtwind rein” Durch die Änderung des Nebensatzes wird dem Leser eine Autofahrt veranschaulicht, die gar nicht schnell genug sein kann. In diesem Fall fährt das Auto so schnell, dass der Wind nicht nur durch das Fenster hineinweht, sondern regelrecht “hineinknallt”. Zudem wird mittels des darauf folgenden Satzes “Die Beastie Boys brüllen uns an. No! Sleep! Till! Brooklyn” die Atmosphäre genauer verdeutlicht und lässt erkennen in welchem Gegensatz Ende und Anfang des Romans zueinander stehen. Des weiteren kann man sagen, dass es sich hierbei um eine innere Geschlossenheit des Romans handelt, da er genau da anfängt wo er schließlich auch endet.
Hinzu kommt, dass der Leser nun genau weiß, dass sich die Handlung des Buches auf den Zeitraum zwischen Tourende und Touranfang erstreckt.
6. Sprachliche und stilistische Besonderheiten des Romans:
Der gesamte Roman wird aus der Sicht der Hauptperson Tacheles, der als Ich-Erzähler fungiert, geschildert. Dabei fällt die häufige wörtliche Rede, die das Buch besonders lebendig wirken lässt, sehr ins Auge. Wie schon erwähnt, verwendet Birbaek zur Kennzeichnung der wörtlichen Rede ausschließlich Spiegelstriche. Trifft man auf eine Passage mit einem Spiegelstrich, in der nicht vom Ich-Erzähler selber erläutert wird, wer gerade in welcher Weise spricht, so handelt es sich um einen wörtlichen Beitrag des Protagonisten Tacheles, also des Ich- Erzählers selbst. Beispiel: “- Darf ich dich in diesem Zusammenhang fragen, was du ihm sagst, wenn er wissen will, wo da für ihn ein Deal sein soll?”
Im Gegensatz dazu wird, sobald eine andere Person zu Wort kommt, auch von Tacheles selbst dies dem Leser mitgeteilt. Beispiel: “- Man müsste den Booker dazu überreden, einen Risikodeal einzugehen, murmelt Max leise.”
Weitere sprachliche Merkmale dieses Romans sind die meist kurzen Sätze mit umgangssprachlichen Elementen. Beispiel: “- Hm? Macht Max und nickt zum Scheißhaufen rüber.
– Keine Ahnung.”
“- Hi, ich bin Vivi. Mit zwei Vaus, wie fischen und… Sie macht eine kleine Kunstpause, -…vögeln!” Dabei ist anzumerken, dass Birbaek bei der wörtlichen Rede tatsächlich die Sätze auch so verschriftlicht, wie sie meist im alltäglichen Leben gesprochen werden. Statt “Hast du Zeit” schreibt er “Haste Zeit”. Hinzu kommt, dass der Autor in seinen Roman eine stotternde Figur einbaut. “- S-S-Schau mal d-da! stottert Brunner aufgeregt und presst einen Finger an die Scheibe.[…]- D-D-Die hat v-vielleicht N-N-Nerven…” . Der mögliche Grund für das Einfügen des Stottern von Brunner könnte somit auch eine Förderung der Lebendigkeit, die den Roman wahrhaftiger und realistischer erscheinen lässt sein, denn Michel Birbaek hätte die Figur Brunner ja schließlich auch ohne Sprachfehler in den Roman einbauen können. In keinster Weise ist die Verwendung dieser alltäglichen, gesprochenen Sprache mit einem Transkript zu vergleichen, jedoch lassen sich Merkmale im Bezug auf Dialekt und Sprechpausen der einzelnen dargestellten Sprecher feststellen.
Des öfteren missachtet Birbaek die Orthographie und hebt somit Wörter und Sätze besonders hervor. Auch in diesem Fall ist dies auf die tatsächliche gesprochene Sprache zurückzuführen, denn die Missachtung der Orthographie wird nur dann verwendet, wenn Birbaek die Figuren schnell, energisch oder monoton reden lassen möchte. Genau wie bei der gesprochenen Sprache verdeutlicht er dies im Schriftbild: Mittels mehrerer Wörter, die er als ein Wort zusam-mengefasst schreibt.
Beispiele: “-Laßunsindiestadtfarn” “- Give me your bloodyfuckshitpissoffassholehand NOW!” “SIEWERDENKEINEZIGARETTEINMEINEMAUTORAUCHEN!”
Eine weitere Art der Hervorhebung von Wörtern und Sätzen in diesem Roman sind die verschiedenen Schriftarten. Manche Wörter und Sätze werden von Birbaek ausschließlich in großen Druckbuchstaben geschrieben, andere wiederum in Schrägschrift. Eine wirkliche Unterscheidung zwischen den Schriftarten bezüglich ihrer Intention kann jedoch nicht gemacht werden. In manchen Fällen verwendet der Autor zur Kennzeichnung von Erstaunung, Verärgerung, einer vorstellbar lauteren Stimmlage aber auch zur Beruhigung in Form eines inneren Monologes, willkürlich eine der beiden Schriftarten.
Beispiele:
“Ich atme tief durch. Du bist in einem Wald…Die Vögel zwitschern.. Shit! Kacke! Mist! ICH SAGTE: Du bist in einem Wald! Die Vögel zwitschern..”
“- HOFFENTLICH KRIEGEN SIE KREBS! brüllt er mir hinterher.”
“Du bist in einem Wald… du entspannst dich… du bist glücklich…du kannst Baß spielen ….Miststück!
7. Handelt es sich bei “Was mich fertig macht, ist nicht das Leben, sondern die Tage dazwischen” um deutsche Pop-Literatur?
7.1 Was versteht man unter Pop-Literatur?
Wenn man sich im Bezug auf diese Fragestellung informiert, so ist es nicht gerade einfach eine konkrete Antwort zu erhalten. Sicher jedoch ist, dass die Pop-Literatur ihre Wurzeln in Amerika hat, wo sie unter diesem Namen schon seit 1968 bekannt wurde. Die ersten deutschen popliterarischen Werke sind in die Mitte der 90er Jahre einzuordnen. Als eine Art Gründungsmanifest dieser Bewegung gilt der 1995 erschienene Roman “Faserland” von Christian Kracht.
Aber was versteht man nun genau unter dem Begriff Pop-Literatur? Mit dieser Frage haben sich schon mehrere Literaturwissenschaftler, Kritiker, Autoren und Leser beschäftigt und sind unter anderem auf folgende Ergebnisse gestoßen:
” Dieses Buch versteht unter Popliteratur eine literarische Entwicklungslinie, die sich im 20. Jahrhundert darum bemüht, die Grenzen zwischen Hoch- und Populärkultur aufzulösen und damit auch Themen, Stile, Schreib und Lesensweisen aus der Massen- und Alttagskultur in die Literatur aufzunehmen. Merkmale der Popliteratur zeigen sich beispielsweise in Texten, die in einfacher Sprache und realistisch aus dem Leben gesellschaftlicher Außenseiter berichten; die ein kritisches Verhältnis zum hohen Ton der Traditionellen Literatur haben und sich um neue, authentische Sprechweisen bemühen oder die Sprache in ihre Einzelteile zerlegen. In diesem Spannungsfeld spielt sich Popliteratur ab.”
“Zunächst jedenfalls ist Popliteratur ein erfolgreiches Marketing- Produkt, lanciert nicht nur von den “bösen Major – Companies”, sondern lanciert auch zu einem guten Teil von den Au-toren selbst. Das gibt etwa Stuckrad -Barre in seinen Interviews unumwunden zu.”
” Ihre Literatur zeigt einen souveränen Umgang mit der Enzyklopädie unserer Gegenwart, ohne sich von der Hochkultur gänzlich abzukoppeln, und sie kann sich der ersten Dinge an-nehmen, ohne sich deshalb weniger munter zu lesen. Sie prätendiert nicht, Pop zu sein, und auch nicht LITERATUR zu sei. Von Amerika aus betrachtet, ist sie vielleicht ein winziger Punkt auf der kulturellen Landkarte. Aber von uns aus gesehen ist sie die deutsche Literatur.”
“Popliteratur ist eine Erscheinungsform der Popkultur; nur als solche lässt sie sich adäquat beschreiben und verstehen. Die Popkultur als Gesamtheit von künstlerischen und medialen Phänomenen hat in den letzten vier Dekaden beträchtliche Veränderungen erfahren. Es haben sich nach dem Vorbild der Gesamtkultur akademisch-intellektualistische, aber auch einfachste, für den Massengeschmack industriell hergestellte Spielarten entwickelt. In ihrem Verhältnis zur Gesamtkultur haben sich ebenfalls weitreichende Veränderungen ergeben. In den 60er-Jahren wurde der Popkultur zumindest in bestimmten Kreisen ein gewisses subversives, emanzipatorisches Potential zugesprochen. Diese überhöhten Hoffnungen haben sich nicht erfüllt. Dafür hat die Popkultur seit den 90er-Jahren einen zentralen Platz im gesamtkulturellen Spektrum besetzt. Dies vor allem in ökonomischer Hinsicht: In Großbritannien wird mitt-lerweile mehr mit Popmusik als mit schwerindustriellen Gütern verdient. Clevere Vermark-tungsstrategien werden nicht nur angewendet, um Produkte für den Massengeschmack abzu-setzen, sondern ebenfalls mit großem Erfolg, um einen Markt für Musik und Lifstyleprodukte des vom kommerziellen Kalkül scheinbar unberührt gebliebenen Independenbereichs zu finden.”
Man könnte somit also generell festhalten, dass es sich bei der deutschen Pop-Literatur um eine Art literarischer Gattung handelt, die besonders auf der sprachlichen Ebene mit der alltäglich gesprochenen Sprache übereintrifft. Auf Grund dessen wird sie als äußerst lebendig oder frech, aber manchmal auch als sehr provokativ empfunden.
Was die inhaltliche Ebene dieser Literatur angeht, so könnte man sagen, dass sie dem Leser sehr vertraut ist. Meistens können Elemente aufgewiesen werden, die dem Leser aus seinem eigenen Leben bekannt sind.
Jedoch scheint es nicht immer einfach zu sein genau festhalten zu können, was die deutsche Pop-Literatur wirklich ausmacht, da sie mehr wie ein Phänomen als eine literarische Gattung auftritt.
7.2 Merkmale des Romans, die Pop-Literatur repräsentieren (nach Moritz Baßler)
In seinem Buch “Der deutsche Pop-Roman. Die neuen Archivisten” setzt sich der Rostocker Germanist Moritz Baßler mit dem Phänomen der Deutschen Popliteratur auseinander und versucht markante sprachliche und inhaltliche Merkmale, die die deutsche Pop-Literatur typisieren und repräsentieren, festzuhalten. Nach Baßler lassen sich grob gesehen fünf unter-schiedliche Merkmale feststellen:
1) Das Archiv ? Pop-Literatur ist Archivliteratur
2) Die Erinnerung ? Pop-Literatur ist Erinnerungs-
literatur
3) Probleme des Realismus ? Pop-Literatur ist realistisch
erzählte Literatur
4) Der Diskurs ? Pop-Literatur ist Diskursliteratur
5) Warenwort und Markennamen ? Pop-Literatur ist Mar-
kennamen-Literatur
(Quelle: Thesenpapier von Dr. Pech aus dem Seminar: Literatur des 20. Jahrhunderts – die letzten 20 Jahre SoSe 2003)
Betrachtet man nun den Roman ” Was mich fertig macht, ist nicht das Leben, sondern die Tage dazwischen” hinsichtlich des Aspektes der Archivliteratur, so lässt sich anmerken, dass der Roman eindeutige Merkmale aufweist, die für das literarische Archivieren sprechen. Mit dem Nennen von Namen einiger Kölner Kneipen und Kölner Schauplätzen sowie mit dem Erwähnen einiger Bandnamen und Lieder hält der Autor Michel Birbaek diese in seinem Werk fest oder besser gesagt er speichert sie in mit dem Nennen ihrer tatsächlichen Namen in den Roman ein.
Beispiele:
“[…] Hört sich aber an wie ein Frühstücksdate im Underground.”
“- Wir spielen im E-Werk[…].”
” Spielt man nach Vodoo Child eher Try oder Highway to Hell?”
Moritz Baßler beschreibt den Begriff “Archivliteratur” in seinem Buch u.a. wie folgt:
” Die dort befindlichen Dinge werden von ihrer Kultur <> und geraten mit der Zeit in Vergessenheit, es sei denn, sie werden durch <>[…]aufgewertet, aufgezeichnet und gespeichert – und damit in die kulturellen Archi-ve aufgenommen”
Eine weitere Archivierung nimmt Michel Birbaek mit, der von ihm gewählten Alltagssprache oder auch Umgangssprache, die wie schon erwähnt in seinem Roman besonders häufig auftritt, vor. Im weitesten Sinne wird somit etwas archiviert, was für uns heute noch völlig “normal” oder besser gesagt nicht ungewöhnlich erscheint. Jedoch wird sich diese Tatsache mit Sicherheit im Laufe der kommenden Jahre ändern so, dass der Zeitpunkt kommt, an dem all die genannten Merkmale nicht mehr repräsentativ für die Gegenwart sind, sondern eher Elemente aus einer vergangenen Zeit darstellen.
Ein weiteres Indiz nach Moritz Baßler, das Pop-Literatur kennzeichnet ist das schriftliche Erinnern an vorhergegangene Ereignisse. Unter der sogenannten “Erinnerungsliteratur” versteht Baßler u.a., “wenn die öffentliche Vergangenheit museumsartig begehbar ist […]” . Jedoch würde ich persönlich sagen, dass es sich in diesem Fall nicht ganz um dieses Merkmal handelt. Zwar lässt sich festhalten, dass die Protagonisten dieses Romans relativ jung sind und sich im Grunde stets auf der Sinnsuche befinden, jedoch kann man meiner Meinung nach den Roman nicht vollständig der Erinnerungsliteratur zuordnen, da er nur an einer Stelle Elemen-te aufweist, die für die öffentliche Vergangenheit stehen.
(Von Seite 70-76 wird eine Autofahrt auf der A2 geschildert. Tacheles, der im Auto eines fünfzig Jährigen Herren per Anhalter mitfährt, erkennt langsam, dass dieser eine rechtsradikale Einstellung vertritt.)
“- Der Fü… Der Herr Hitler nahm uns die Arbeitslose
– Ach, schau an! Der Herr nahm sie also zu sich, was? Fünfzig Millionen Tote sind aber ein verdammt hoher Preis für ein bißchen Arbeit.
– Wir müssen alle Opfer bringen, sagt er blasiert.
Oh Mann! Oh Shit! Oh Kacke! Oh Mist! Ich setzte mich noch fester auf meine Hände, aber gegen meinen Mund habe ich noch kein Mittel gefunden.
– Und was war mit den Millionen Kindern, he? Und den Millionen Frauen? Und den Millionen Männern? Alles Arbeitslose?
Er lächelt kalt und verliert die Fassung.
– Schwule! Lesben! Zigeuner! Behinderte! Geistliche! Dichter! Maler! Schriftsteller…
Er verzieht die Oberlippe zu einem arrogantem Lächeln.
– …Belgier! Tschechen! Russen! Briten! Schotten! Franzosen! Polen! Amerikaner! Ru-mänen! Bulgaren! Portugiesen! Italiener! DÄNEN! SCHWEDEN! FINNEN! GRIE-CHEN! TÜRKEN! NIEDERLÄNDER!
– Ausländer! Unterbricht er mich.[…]
Im Gegensatz dazu wird die Vergangenheit des Protagonisten an einigen Stellen erwähnt, dies geschieht jedoch ohne jegliches Erwähnen allgemeiner Elemente der öffentlichen Vergangenheit.
Man könnte somit sagen, dass der Roman Elemente aufweist, die repräsentativ für die Erinnerungsliteratur sind. Allgemein würde ich ihn jedoch nicht dieser Gattung zuordnen, da er ihre Elemente nur beiläufig streift und sie nicht vollkommen thematisiert.
An dritter Stelle nennt Baßler in seinem Werk “Der deutsche Pop-Roman. Die neuen Archivisten” die Probleme des Realismus, als Kennzeichnung der Pop-Literatur. Der Realismus zeichnet sich durch die wirklichkeitsgetreue Darstellung der äußeren Realität aus. “Das muß wohl Realismus sein. Weg mit den formalen Schnörkeln der Avantgarde <> , endlich mal Bücher deren Stärke <> liegt[…].
Diese Aussage trifft auch auf den Roman “Was mich fertig macht, ist nicht das Leben, son-dern die Tage dazwischen” zu. Aufgrund der Tatsache, dass es sich laut Michel Birbaek um einen semiautobiographischen Roman handelt, den er zudem überwiegend in realistischer, alltäglicher Sprache schreibt, kann man diesen in jedem Fall der “realistisch erzählenden Literatur” zuordnen. Zwei weitere wichtige Merkmale, die Birbaek`s Roman zu einem realistisch erzählenden Roman machen, sind die häufig auftretenden personalen Erzählweisen sowie die inneren Monologe des Protagonisten Tacheles, die dem Roman eine besonders lebendige und realistische Note verleihen.
Des weiteren erwähnt Moritz Baßler den Diskurs im Bezug zur Gattung der Pop-Literatur.
Das Wort Diskurs stammt aus dem Lateinischen discursus und bedeutet übersetzt Hin- und Herlaufen, Sich-Ergehen. Baßler zählt unter Diskurs-Literatur Werke, die eine typische Lebenseinstellung, die sich in verschiedenen Merkmalen kennzeichnen lässt, aufweist. Dabei wird der Diskurs ebenfalls literarisch archiviert und gibt somit eine schon vorher vorhandene Meinung wieder. Wie schon bei der Archivliteratur erwähnt, wird auch in diesem Fall der Diskurs mittels der Entstehung des Romans in das Werk eingespeichert.
Meiner Meinung nach kann der Diskurs dezent auftreten und eher einen Rahmen für die eigentliche Handlung geben oder er steht im Vordergrund und wird somit vollkommen themati-siert.
Bei Birbaek`s Roman ist es nicht leicht festzustellen, ob es sich tatsächlich um Diskurs-Literatur handelt. In jedem Fall kann man sagen, dass dieser Roman keinen Diskurs konkret lokalisiert oder terminiert , sondern wenn überhaupt nur die Lebenseinstellung der Musikszene der 90er Jahre wieder gibt und somit auch archiviert.
Ein weiteres Indiz, das Baßler in seinem Werk, als repräsentatives Beispiel für Pop-Literatur erwähnt, ist das Nennen von Warenworten und Markennamen.
Da in diesem Buch der Lebensausschnitt eines Musikers beschrieben wird, beschränkt sich die Nennung der Markennamen zum größten Teil auf die Musikszene, das bedeutet, dass des öfteren Namen von Musik-Stars und Titel von Musikstücken erwähnt werden. Manchmal kommt es sogar vor, dass eine Situation in einen Vergleich “übersetzt” wird, indem Namen von Musikern oder Titel von Musikstücken genannt werden, um die geschilderte Situation zu verdeutlichen.”[…] Niemand hat sie eingeladen, aber ihr den Zutritt zu einer Party zu verwehren, wäre als würde man Iggy Pop nicht auf die Bühne lassen.”
Zum Schluss während des “Breaks” nennt sogar Birbaek persönlich die Bandnamen The Klau und Yeti Girls, um an Hand dieser beiden Beispiele zu verdeutlichen, wie wenig ernst er die heutigen Charts nehmen kann, wenn diese beiden Bands nicht in ihnen vorkommen. ” Wie soll man Charts ernst nehmen, wenn Bands wie The Klau oder die Yeti Girls nicht drin vorkommen?”
Nun könnte man sagen, dass diese beiden Bands nicht gerade so berühmt sind, dass sie jedem Leser des Buches bekannt sind, dennoch vermittelt Birbaek mit dem Nennen dieser beiden Namen eine positive Einstufung bzw. positive Zuordnung.
Im Vergleich zum Roman “Faserland” von Christian Kracht, der meines Erachtens sehr repräsentativ zur Vorstellung der Markennamen-Literatur ist, handelt es sich in diesem Roman nicht um einen im Überfluss lebenden “Yuppie”, bei dem das Erwähnen der Markennamen seiner Kleider eine Zuordnung sozialer Bedeutung darstellt. Der Roman “Was mich fertig macht, ist nicht das Leben, sondern die Tage dazwischen” schildert im Gegensatz dazu, das Leben eines zur Zeit ziemlich mittellosen Musikers und setzt somit seine Akzente an einer andere Stelle. Trotzdem werden auch in diesem Buch Markennamen erwähnt. Dies geschieht zwar fast ausschließlich in Form von Musikstücken, Namen von Musikstars, und Bandnamen, dennoch handelt es sich im weitesten Sinne um Namen einer Marke. Nicht immer ist der Leser auch ein kundiger Leser, d.h. ihm sind nicht immer alle Markennamenbegriffe bekannt, trotzdem gelingt es Birbaek sehr gut mit Hilfe des namentlichen Nennens von Assoziierungen aus der Musikszene, einzelne Situationen auf seine eigne Art und Weise dem Leser genauer zu verdeutlichen.
Hinsichtlich der genannten fünf Merkmale, die Moritz Baßler in seinem Werk als Indizierung für Pop-Literatur nennt, lässt sich schließlich im Bezug zu dem Roman “Was mich fertig macht, ist nicht das Leben, sondern die Tage dazwischen” Folgendes festhalten:
Michel Birbaeks Werk weist eindeutige Züge der Archivliteratur, der realistisch erzählenden Literatur und der Markennamen-Literatur auf. Zuzüglich lassen sich einige, wenn auch weni-ge, Hinweise auf Merkmale der Erinnerungsliteratur sowie der Diskursliteratur feststellen.
Abschließend zu diesem Kapitel, kann man also tatsächlich das Thema dieser schriftlichen Arbeit sowie die gegenwärtige Frage bejahen und somit sagen, dass es sich bei Birbaeks ersten Roman tatsächlich um ein Werk der deutschen Pop-Literatur handelt.
8. Aussagen aus der Sekundärliteratur
Obwohl Michel Birbaek leider noch nicht so bekannt ist wie beispielsweise Benjamin von Stuckrad-Barre, hat er bei den meisten Menschen, die eine Rezension oder eine Kritik über sein Werk verfasst haben, aber auch bei Journalisten und Radiomoderatoren, die seinen Roman ihren Lesern bzw. Hörern vorstellten, einen überwiegend guten Eindruck hinterlassen. Auffallend häufig wird sein Erzähltalent, welches sich durch die besonders ausgeprägte Art und Weise der Lebendigkeit seines Romans ausdrückt, erwähnt und gelobt.
?”Birbaek hat ein sehr komisches Erzähltalent. Muß man einfach lesen!” (Elke Heidenreich/ Radio Bremen)
?” Dem dänischen Autor ist ein phantastischer, überaus geistreicher Roman gelungen. Die 219 Seiten bersten vor purer Lebensfreudevon einer kraftvollen Sprache. Ein Kultbuch nicht nur für Bukowski-Fans.”(Aachener Zeitung)
?” Ein Buch zum “aus dem Loch rausklettern” -erfrischend und authentisch.”(Prinz)
?” Michel Birbaek schreibt so, wie Rock`n Roll sein sollte: schnell, dreckig und ohne Rück-sicht auf Verluste.”(Kölner Stadtanzeiger)
?” Ein Buch von klarem Geist und eines sympathischen Typen, der allerhand anstellt, wor-über einer Mehrheit der Deutschen über dreißig, den deutschen Kopf schütteln dürfte, aber für die hat Birbaek diesen Joint auch nicht gebaut.”(Sächsische Zeitung)
?” Birbaeks Roman erinnert an Nick Hornbys Kultbuch High Fidelity so rasant, böse, witzig und lebensnah ist es geschrieben.”(NDR2)
?” Jetzt hat auch Deutschland, äh, Dänemark, seinen Hunter S. Thompson.”(Radio Köln)
Wie man sieht, ist die Präsenz des Autors Michel Birbaek auch in anderen Medien gegeben. Zudem lässt sich an Hand der genannten Zitate veranschaulichen, das sein Bekanntheitsgrad nicht nur auf der regionalen Ebene zu finden ist, sondern auch teilweise über die Grenzen Nordreihnwestfalens hinaus geht.
9. Schlusswort
Rückblickend möchte ich am Ende dieser schriftlichen Arbeit erwähnen, dass ihre Erstellung schwieriger war als erwartet. Dies lag meiner Meinung zum einen an der Tatsache, dass es sich bei der deutschen Pop-Literatur um ein sehr komplexes Thema handelt, dass man auf vielfältige Weise betrachten kann, und zum anderen erwies es sich für mich persönlich als problematisch über einen Roman, der in Alltags- oder auch Umgangssprache geschrieben ist, zu schreiben, ohne dabei nicht selber auch diese Sprache während der Erstellung dieser schriftlichen Ausarbeitung zu verwenden.
Ich habe festgestellt, dass es sehr kompliziert ist den Begriff Pop-Literatur an einzelnen Punk-ten festzuhalten und diese als Typisierung zu sehen, denn bei der Pop-Literatur handelt es sich meines Erachtens um ein Phänomen, welches sich momentan in Deutschland wie ein Lauf-feuer ausbreitet. Auf Grund dessen ist es nicht einfach im Bezug auf diese relativ neue Art der deutschen Literatur explizite Merkmale auszumachen, die man dann als allgemeine Repräsen-tation für Pop-Literatur anerkennt.
Besonders interessant fand ich die Möglichkeit, den Autor Michel Birbaek selber zu seinem Roman und dem Phänomen der deutscher Pop-Literatur befragen zu dürfen. Auf die Frage, ob er selber denken würde, dass es sich bei seinem Buch um ein Werk der deutschen Pop-Literatur handelt, wusste er keine konkrete Antwort. Für ihn selbst war die Gelegenheit güns-tig, auf der Welle der deutschen Pop-Literatur mitzureiten oder wie er selber sagt: “an diesem Trend anzuklinken”. Jedoch merkte ich während des Gespräches, dass dies mehr Zufall als ausschlaggebender Grund für die Erstellung seines Romans war. Für Michel Birbaek gilt stets die Divise: “Am besten aus Spaß und aus Lust schreiben und sein Geld mittels einer anderen Tätigkeit verdienen.”
In jedem Fall war es sehr interessant für mich, nicht nur den Roman zu lesen, sondern auch mehr über den gesamten Hintergrund und über die literarische Gattung zu erfahren.
10. Literaturverzeichnis
Primärliteratur:
Birbaek, Michel: Was mich fertig macht, ist nicht das Leben, sondern die Tage dazwischen, Rütten & Loening, Berlin GmbH 1997
Sekundärliteratur:
Baßler, Moritz: Der deutsche Pop-Roman. Die neuen Archivisten. , Verlag C.H.Beck oHG, München2002
Birbaek, Michel: http:// www.birbaek.de
Ernst, Thomas: TEXTE-Popliteratur (2001), http://thomasernst.net/popliteratur.html
Frank, Dirk: Arbeitstexte für den Unterricht Popliteratur, Philipp Reclam jun. GmbH & Co., Stuttgart, 2003
Stahl, Enno: Popliteratur- Phänomen oder Phantasma? http: //www.statt.org/literatur/03-08-pop.html.
Von Wilpert, Gero: Sachwörterbuch der Literatur, Kröner Verlag, Stuttgart, 2001

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