Lissa Birbæk


Heute ist der 33te Todestag meiner Mor. Immer, wenn ich keine Lust mehr habe, darüber zu sprechen, was ihr zugestoßen ist, tauchen irgendwo reminder von ihr auf. Da ich weiß, wie stolz sie war, einen Meinungsstarken Jungen großgezogen zu haben, geht’s dann weiter.
Die Lust über sie zu sprechen, verliere ich nicht deswegen, weil ich Angst habe plötzlich retraumatisiert zu werden, sondern wegen zwei Dingen:
1) In den Interviews/Gesprächen dreht es sich nie um sie, sondern immer nur um ihren Tod.
2) den Zahlen.
Seit Ewigkeiten spreche ich über den Mord, es war bereits 1997 Bestandteil eines Romans und vieler Interviews seitdem, aber ich muss leider konstatieren: Auch wenn das Femizid-Thema medial immer besser abgedeckt wird, die Töpfe immer größer werden, die Projekte weitreichender – so sind die Opfer-Zahlen gleichbleibend.
Das bedeutet: In diesen 33 Jahren, hat sich eigentlich nicht viel geändert, die Opfer und deren Angehörigen werden vom Staat immer noch im Stich gelassen. Es ist frustrierend.
Da Retraumatisierung momentan ein großes Thema ist, noch ein Wort dazu…
In keinem Bereich meines Lebens, sehe ich mich als Opfer, wer mich dort einstuft, kennt mein Mindset nicht. Jedes Negativerlebnis soll zwar ein Trauma beinhalten, also besteht eine Wahrscheinlichkeit, dass auch ich irgendwo traumatisiert bin, aber ich fühle das nirgends in mir. Meine Eltern (Und die dänische Gesellschaft) haben mich nicht zum Leiden erzogen, sondern zum dankbaren Genuss: Sprich: Lebensfreude. Und so überwiegt jedes Mal, wenn ich an sie denke, die Dankbarkeit, das ausgerechnet sie meine Mutter war und ich all diese schönen Erinnerungen habe.
All die Jahre habe ich keine Fotos von ihr rausgegeben. Ich wollte damals nicht, dass man mit ihrem Foto Schindluder treiben konnte. Der Grund, wieso ich das heute ändere, ist, weil es kaum noch Fotos von ihr gibt, analog gehen immer mehr verloren, aber im Internet sind sie auf Ewig safe.
Daher hole ich Lissa Birbæk heute, an ihrem Todestag, aus der Unsichtbarkeit hervor. Gegen das Vergessen.
Fotos.
1. Ihr typischer Blick. Love it. Der Tisch ist ebenfalls ein Klassiker: Eis, Wein, Zigaretten. Jederzeit das Leben zu genießen, war eines ihrer großen Stärken. Zum Glück: Vererbt.
2. Sie war schreckhaft und ich erschrecke gerne – eine großartige Symbiose! Also, für mich. 😬 Nach dem ersten Schrecken, hat sie dann entweder mitgelacht, Gegenstände nach mir geworfen, das Essen zu scharf gewürzt, oder mir nasse Schwämme in die Schuhe gelegt. Miss that… ♥️
3. Bei der Arbeit. Sie leitete Großküchen in Dänemark und Deutschland, damals noch oft als erste weibliche Chef-Ökonoma. Sie liebte ihre Arbeit, war fleißig und hat das zum Glück auch vererbt.
4. Last, but not least: Eines meiner Lieblingsfotos von ihr, denn auch wenn man sie nur von hinten sieht, steht das Bild sinnbildlich für meine Kindheit: Man kommt nach Hause und irgendwo im Haus begeiert sich jemand, Mor immer dabei. Hier mit ihren typischen Lockenwicklern der 70er Jahre, und einer meiner Schwestern. Auf dem Tisch, wie immer: Essen & Wein.
♥️